10.06.2020
Die Gesetzgebung zur Corona-Pandemie
UMSETZUNG ERFORDERLICHER MASSNAHMEN IM ZUSAMMENHANG MIT DER CORONA-PANDEMIE
Mit dem vom Thüringer Landtag am 5. Juni 2020 beschlossenen Thüringer Gesetz zur Umsetzung erforderlicher Maßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie werden dringende gesetzliche Anpassungen in verschiedenen Rechtsbereichen vorgenommen, um die gesellschaftlichen und finanziellen Folgen der Coronavirus-Pandemie u.a. für Familien, Schüler, Studierende, Universitäten, Unternehmen, Kommunen und der organisierten Zivilgesellschaft abzumildern. Insbesondere wird hierzu etwa ein Sondervermögen in Höhe von 694,77 Millionen Euro geschaffen und der Handlungsspielraum des Landes bei der Absicherung von Finanzierungen für Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, der freien Berufe sowie für Organisationen und Einrichtungen in gemeinnütziger Trägerschaft um zusätzliche 935 Millionen Euro erweitert. Bei diesem Gesetz handelt es sich um ein sogenanntes Artikel-Gesetz, das in seinen 19 Artikeln verschiedene Gesetze ändert beziehungsweise neu schafft. Nachfolgend werden die beschlossenen Regelungen beispielhaft dargestellt:
(1) Mit dem Thüringer Gesetz über die Errichtung eines Sondervermögens „Hilfe zur Überwindung direkter und indirekter Folgen der Corona-Pandemie“ wird ein Sondervermögen befristet bis zum 31. Dezember 2021 errichtet und mit Mitteln des Landes, des Bundes und ggf. weiterer Dritter im Umfang von 694,77 Millionen Euro ausgestattet, um wirtschaftliche und finanzielle Folgen der Corona-Pandemie bei Unternehmen, bei staatlichen und kommunalen Einrichtungen, bei Bürgern und Vereinen, freien Trägern und kommunalen Gebietskörperschaften (teilweise) zu kompensieren und abzumildern.
(2) Mit dem Sozialdienstleister-Einsatzgesetz (SodEG) vom 27. März 2020 wird der Einsatz sozialer Dienstleister zur Bekämpfung von Auswirkungen der Coronakrise und der damit korrespondierende Sicherstellungsauftrag der Leistungsträger für soziale Dienstleister geregelt. Die Bundesländer haben die zuständigen Behörden für die Aufgabenwahrnehmung nach diesem Gesetz zu bestimmen, soweit sich auch die Zuständigkeit der Leistungsträger für die Aufgabenausführung im Sozialgesetzbuch nach Landesrecht richtet. Den Thüringer Landkreisen und kreisfreien Städten wird daher mit dem Thüringer Gesetz zur Ausführung des Sozialdienstleister-Einsatzgesetz aufgrund des sachlichen Zusammenhangs der im Sozialdienstleister-Einsatzgesetz (SodEG) festgelegten Leistungen mit den regulären Leistungen nach Sozialgesetzbuch die Wahrnehmung im eigenen Wirkungskreis übertragen. Damit soll der Bestand der hiervon betroffenen Einrichtungen, sozialen Dienste, Leistungserbringer und Maßnahmen gesichert werden.
(3) Die Thüringer Gemeinde- und Landkreisordnung wird durch (a) die Möglichkeit der Verschiebung von Kommunalwahlen nach Gemeindeneubildungen aus wichtigen sachlichen Gründen, (b) die Abschaffung des Handschlags bei der Verpflichtung neu gewählter Mitglieder von Gemeinde- und Kreistagen auf gewissenhafte Erfüllung der Pflichten durch den Bürgermeister bzw. den Landrat sowie (c) die Ermöglichung einer krisenbedingt flexibleren Gestaltung von über- und außerplanmäßigen Ausgaben zur Aufrechterhaltung des öffentlichen Wohls und der öffentlichen Daseinsvorsorge geändert. Letztere Regelung ist auch entsprechend in der Änderung des Thüringer Gesetzes über die kommunale Doppik übernommen.
(4) Mit der Änderung der Thüringer Gemeindehaushaltsverordnung dürfen bis zum Ablauf des 31. Dezember 2020 Mittel der allgemeinen Rücklage zum Ausgleich des Verwaltungshaushalts verwendet werden sowie Fehlbeträge des Haushaltsjahres 2020 später veranschlagt werden. Die Gemeinden und Landkreisen erhalten auf der Grundlage des Thüringer Gesetzes zur Stabilisierung der Kommunalfinanzen (ThürStaKoFiG) und einer Änderung des Thüringer Finanzausgleichsgesetzes Zuweisungen in Höhe von 100 Millionen Euro aus dem Sondervermögen, um kommunale Haushalte infolge von Verlusten bei Gewerbesteuereinahmen zu stabilisieren, sowie weitere allgemeine Stabilisierungszuweisungen in Höhe von 85 Millionen Euro, um deren Haushalte infolge rückläufiger Einnahmen und zusätzlicher coronabedingter Ausgaben zu stabilisieren.
(5) Mit der Änderung des Thüringer Personalvertretungsgesetzes werden begrenzt bis zum 31. Dezember 2020 Beschlüsse auch mittels Umlaufbeschlüsse, elektronischer Abstimmungen oder Telefon- und Videokonferenzen ermöglicht, sofern Vorkehrungen getroffen werden, um den Schutz personenbezogener Daten zu garantieren.
(6) Die Änderung des Thüringer Gesetzes über die Finanzierung der staatlichen Schulen und die Änderung des Thüringer Kindertagesbetreuungsgesetzes legen fest, dass von Eltern im Zeitraum vom 1. April 2020 bis zum 30. Juni 2020 keine Elternbeiträge bzw. Elternbeteiligung erhoben werden. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Beitrags- bzw. Beteiligungspflicht im Falle einer tatsächlichen Inanspruchnahme der Betreuung ist im Ergebnis der parlamentarischen Beratungen entfallen. Ferner wird der finanzielle Ausgleich der damit entstehenden Einnahmeverluste geregelt; ebenso die Erstattung für Einnahmeausfälle aufgrund des teilweisen Verzichts auf das Schulgeld für die Ganztagsbetreuung in der Primarstufe an Schulen in freier Trägerschaft.
(7) Die Landesförderung für anerkannte Einrichtungen der Erwachsenenbildung wird durch die Änderung des Thüringer Erwachsenenbildungsgesetzes mit einer Anpassung der Berechnungsgrundlage des variablen Anteils der Grundförderung für die Jahre 2022 und 2023 auf dem Niveau des Landeshaushalts 2020 gesichert.
(8) Das Zweite Gesetz zur Änderung des Thüringer Schulgesetzes ermöglicht es, Ersatzleistungen anstelle von fachspezifischen Prüfungsleistungen festzulegen sowie die Voraussetzungen zu bestimmen, um Schulabschlüsse ohne oder mit eingeschränkten Prüfungsleistungen zu vergeben, wenn es Schülern aufgrund von Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz einschließlich der darauf beruhenden Rechtsverordnungen nicht möglich war, die Abschlussprüfungen ganz oder teilweise abzulegen.
(9) Mit dem Thüringer Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Corona-Pandemie im Hochschulbereich sowie durch die Änderung des Thüringer Hochschulgebühren- und
-entgeltgesetzes werden (a) Abweichungen von prüfungsrechtlichen Bestimmungen vorgesehen, die in Rechtsverordnungen getroffen wurden, (b) Fristen für Jahresberichte und Jahresabschlüsse für Hochschulen bzw. das Studierendenwerk verschoben, (c) die Kontinuität der Mitgliedschaft in zentralen Hochschulgremien sichergestellt, (d) die Ladung und Durchführung von Sitzungen von Hochschulorganen und -gremien sowie Organen und Gremien der Studierendenschaften auch in elektronischer Form gestattet, (e) Prüfungen in elektronischer Form ermöglicht, sofern die für Online-Prüfungen erforderlichen technischen Voraussetzungen und vergleichbare Prüfungsbedingungen gegeben sind, (f) die Voraussetzungen geschaffen, damit Studierende ihren Hochschulabschluss ohne Studierendenstatus nachholen können, sofern ihnen dies aufgrund von Einschränkungen zur Eindämmung der Ausbreitung der Corona-Pandemie im Wintersemester 2019/2020 oder Sommersemester 2020 nicht möglich war, (g) Förderstipendien um bis zu sechs Monate verlängert, sofern sie sich wegen der coronabedingten Einschränkungen wesentlich verzögert haben, (h) die Gebührenpflicht für Regelstudienzeitüberschreitungen für alle Studierenden pauschal für die Dauer des Sommersemesters 2020 hinausgeschoben sowie (i) pandemiebedingte Einschränkungen für Studierende als Grund für eine Nichtanrechnung besonderer Studienzeiten auf die Regelstudienzeit gefasst.
(10) Mit der Änderung des Gesetzes über die Anstalt Thüringer Fernwasserversorgung werden redaktionelle Fehler behoben. Mit der Änderung des Thüringer Wassergesetzes wird die Frist zur Aufstellung von Abwasserbeseitigungskonzepten bis zum 30. Juni 2021 verlängert.
(11) Das Thüringer Gesetz zur Übernahme von Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen zur Stützung der Wirtschaft infolge der Corona-Pandemie erweitert den Handlungsspielraum des Landes bei der Absicherung von Finanzierungen für Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, der freien Berufe sowie für Organisationen und Einrichtungen in gemeinnütziger Trägerschaft um zusätzliche 935 Millionen Euro.
Das Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Artikel 2 (Thüringer Gesetz zur Ausführung des Sozialdienstleister-Einsatzgesetzes) treten mit Wirkung vom 28. März 2020 sowie Artikel 14 (Thüringer Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Corona-Pandemie im Hochschulbereich) und 15 (Änderung des Thüringer Hochschulgebühren- und -entgeltgesetzes) mit Wirkung vom 1. April 2020 in Kraft. Artikel 14 §§ 1 bis 7 treten mit Ablauf des 31. März 2021 außer Kraft (Sonderregelungen zu Satzungsermächtigung, Jahresberichten und Jahresabschlüssen, Amtszeitregelungen in Organen und Gremien der Hochschule und Studierendenschaft, Sitzungen von Hochschulorganen und –gremien, Onlineprüfungen und Nachholung von Studien- und Prüfungsleistungen). Artikel 14 §§ 8 (Regelungen zu Stipendien) und 10 (Gleichstellungsbestimmung) treten mit Ablauf des 31. Mai 2026 außer Kraft. Artikel 18 (Thüringer Gesetz zur Übernahme von Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen zur Stützung der Wirtschaft infolge der Corona-Pandemie) tritt mit Ablauf des Tages außer Kraft, der den Tag des Inkrafttretens des Thüringer Haushaltsgesetzes für das Jahr 2021 vorangeht, frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2020.
Alle Dokumente und Informationen zum parlamentarischen Ablauf finden Sie hier.
Download
-
Thüringer Gesetz zur Umsetzung erforderlicher Maßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie (ThürCorPanG)
PDF 252,34 KB - ist nicht barrierefrei