27.01.2020
Thüringen gedenkt der Opfer des Holocausts
„Man muss die Vergangenheit kennen, um die Zukunft gestalten zu können. Deshalb ist das gemeinsame Erinnern an die schrecklichen Verbrechen der Nationalsozialisten vor nunmehr 75 Jahren so wichtig.“
Landtagspräsidentin Birgit Keller
Appell gegen Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit
„Der 27. Januar ist einer der bedeutendsten Gedenktage unserer Erinnerungskultur. Wir gedenken heute der ermordeten Juden Europas, der Sinti und Roma, der Zeugen Jehovas, der Millionen Verschleppten, der Zwangsarbeiter der politischen Gefangenen, der Homosexuellen, der Kranken und der Menschen mit Behinderungen.“ Das sagte heute (27. Januar) in Erfurt Landtagspräsidentin Birgit Keller anlässlich des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus vor rund 260 Gästen im Parlamentsgebäude. Es sei zeitlos und notwendig, sich mit NS-Diktatur und Holocaust, mit Fragen zu Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus in unserer Welt zu beschäftigen. Nach den Reden von Landtagspräsidentin Birgit Keller und Ministerpräsident Bodo Ramelow begleitete der Leiter der Gedenkstätte Buchenwald, Prof. Volkhard Knigge, im Plenarsaal eine Gesprächsrunde mit den Holocaust-Überlebenden Eva Pusztai, Günter Pappenheim und Heinrich Rotmensch.
Gedenktag Holocaust 2020
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„Die Shoa ist das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte“
Ein verantwortungsvoller Umgang mit dem dunkelsten Kapitel unserer Geschichte, so die Präsidentin weiter, bleibe auch in Zukunft eine zentrale Aufgabe. „Die Shoa ist das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte und jeder, der diesen Zivilisationsbruch auch nur im Ansatz zu leugnen oder zu relativieren versucht, verlässt den Boden des Wertefundaments unserer freien demokratischen Gesellschaft.“ Keller hob zudem hervor, dass sich in diesem Jahr die Befreiung vom Nationalsozialismus zum 75. Mal jährt. „Dieses bedeutende Datum mahnt uns in besonderer Weise, die unmenschlichen Verbrechen und den Terror der Nationalsozialisten niemals zu vergessen.“
Mit Blick auf den antisemitischen Anschlag von Halle im vergangenen Jahr mahnte Keller: „Dieser Anschlag hat uns deutlich gezeigt, wie groß die Gefahr durch gewaltbereite Antisemiten und Rechtsextremisten in Deutschland ist. Diese bestürzende Tat ist leider nur ein trauriger Höhepunkt hunderter antisemitischer Straftaten im Jahr 2019 gewesen.“ Keller verwies in diesem Zusammenhang auf eine repräsentative Studie des jüdischen Weltkongresses, wonach 27 Prozent aller Deutschen antisemitische Gedanken hegen. „Und die Ergebnisse des Thüringen-Monitors machen deutlich, dass der Antisemitismus auch im Freistaat wächst. „16 Prozent der Thüringerinnen und Thüringer stimmen antisemitischen Aussagen zu. Das ist ein Anstieg um 7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das sind alarmierende Befunde. Sie sind die Hauptbedrohungen unserer freien und demokratischen Gesellschaft. Deshalb gilt es, diesen destruktiven Kräften entschieden und mit großer Konsequenz entgegenzutreten. Das gilt für die Zivilgesellschaft ebenso wie für den Rechtsstaat.“
Keller appellierte an die Thüringerinnen und Thüringer sich gegen Hass und Hetze zu positionieren. „Werden Sie noch sichtbarer. Und machen Sie bei jeder Gelegenheit deutlich, dass es für Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit in unserer Gesellschaft keine Akzeptanz und Toleranz gibt.“ Alle seien dabei gefordert: Politikerinnen und Politiker, Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger der Gesellschaft, aber auch jede einzelne Bürgerin und jeder einzelne Bürger des Landes. „Denn wir Demokratinnen und Demokraten“, so das Fazit der Präsidentin, „stehen fest an der Seite unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger und fest an der Seite all derer, die Ausgrenzung und Hass erfahren.“
Die komplette Gedenkveranstaltung wurde heute auch als Livestream auf der Homepage des Thüringer Landtags angeboten (www.thueringer-landtag.de).
Am Nachmittag (27. Januar) nimmt Landtagspräsidentin Keller an der Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus in der KZ-Erinnerungsstätte Buchenwald teil.
Unter den Gästen der Gedenkveranstaltung im Thüringer Landtag waren neben den Holocaust-Überlebenden Eva Pusztai, Günter Pappenheim und Heinrich Rotmensch auch der Präsident des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora, Dominique Durand, zudem der Präsident des Verfassungsgerichtshofs, Dr. Stefan Kaufmann, die Landtagsvizepräsidenten Astrid Rothe-Beinlich, Dorothea Marx und Henry Worm, die Fraktionsvorsitzenden Susanne Hennig-Wellsow, Matthias Hey und Mike Mohring, der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde, Prof. Reinhard Schramm, Landesrabbiner Alexander Nachama, der Präsident des Landesrechnungshofes, Dr. Sebastian Dette, Landtagsdirektor Jörg Hopfe sowie rund 50 Schülerinnen und Schüler, Mitglieder der Landesregierung, ehemalige Landtagsabgeordnete und Vertreterinnen und Vertreter des Diplomatischen Corps, der Kirchen und Glaubensgemeinschaften, der Landkreise, Kommunen und Verbände sowie Persönlichkeiten aus Justiz, Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft und Medien.
Musikalisch umrahmt wurde die Feierstunde von der Pianistin Tamta Magradze von der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar. Die junge Künstlerin aus Georgien ist u.a. Sonderpreisträgerin des Internationalen Franz Liszt Klavierwettbewerbs.
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Rede von Landtagspräsidentin Birgit Keller anlässlich des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2020 im Thüringer Landtag
Montag, 27.01.2020 - PDF 151,84 KB - ist nicht barrierefrei