
27.01.2022
Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus
THÜRINGEN GEDENKT DER OPFER DES NATIONALSOZIALISMUS
"Die Millionen Opfer der Shoa in ehrender Erinnerung zu halten, ist unsere Pflicht. Deshalb bleibt das Gedenken ein zentraler Bestandteil unserer Erinnerungskultur und unserer Identität – einen Schlussstrich kann und wird es nicht geben. Eine humane Welt braucht die Erinnerung. Auch und gerade dann, wenn sie schmerzhaft ist. Wir hören die Zeitzeugen und tragen ihre Erinnerung weiter: gegen völkisches Denken und Hass. Ihre Stimmen werden immer leiser, aber ihre Botschaften sind aktueller denn je. Wir dürfen sie nicht verstummen lassen. Der Relativierung der Nazi-Verbrechen setzen wir Mitmenschlichkeit und Solidarität entgegen: In unserem Land ist kein Platz für Rassismus und Ausländerfeindlichkeit, für Ausgrenzung und Verachtung."
Landtagspräsidentin Birgit Keller
Mit einer Gedenkstunde im Landtag und einer Kranzniederlegung in der Gedenkstätte Mittelbau-Dora gedachten der Thüringer Landtag, die Thüringer Landesregierung und die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora am 27. Januar gemeinsam der Opfer des Nationalsozialismus. Sowohl die Gedenkstunde als auch die Kranzniederlegung wurden im Livestream übertragen. Aufgrund der pandemischen Lage sind die Zeitzeug*innen Éva Fahidi-Pusztai, Naftali Fürst und Albrecht Weinberg in Videostatements zu Wort gekommen.

27. Januar 2022 - Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus
27.01.2022 44 Bilder
Fotos aus dem Landtag: © Jacob Schröter (www.jacobschroeter.de)
Fotos Mittelbaudora: ©TSK
Landtagspräsidentin Birgit Keller: „Die Millionen Opfer der Shoa in ehrender Erinnerung zu halten, ist unsere Pflicht. Deshalb bleibt das Gedenken ein zentraler Bestandteil unserer Erinnerungskultur und unserer Identität – einen Schlussstrich kann und wird es nicht geben. Eine humane Welt braucht die Erinnerung. Auch und gerade dann, wenn sie schmerzhaft ist.
Wir hören die Zeitzeugen und tragen ihre Erinnerung weiter: gegen völkisches Denken und Hass. Ihre Stimmen werden immer leiser, aber ihre Botschaften sind aktueller denn je. Wir dürfen sie nicht verstummen lassen. Der Relativierung der Nazi-Verbrechen setzen wir Mitmenschlichkeit und Solidarität entgegen: In unserem Land ist kein Platz für Rassismus und Ausländerfeindlichkeit, für Ausgrenzung und Verachtung.“
Für die Landesregierung nahm die stellvertretende Ministerpräsidentin Anja Siegesmund an der Gedenkveranstaltung teil: „Es darf keinen Schlussstrich geben. Niemals. Es ist gerade heute unsere Aufgabe, als Institutionen und als Gesellschaft das Erinnern an das dunkelste Kapitel der Menschheitsgeschichte und die Greueltaten des Nationalsozialismus wachzuhalten. Dazu gehört, dass wir die Opfer ehren, sie niemals vergessen. Dazu gehört aber auch, dass wir das aktive Handeln der Behörden benennen und aufräumen mit Klischees des ‚Nichtwissens‘. Und dazu gehört auch, dass wir das Leid der Verfolgten, insbesondere der Jüdinnen und Juden im Widerstand, stärker in den Mittelpunkt rücken. Die Aufarbeitung der NS-Zeit bedarf weiter intensiver Forschung und Auseinandersetzung. Es bleibt aber auch unsere Aufgabe, genau hinzusehen und alles dafür zu tun, unsere Freiheit, unseren Rechtsstaat und unsere Demokratie zu schützen. Dazu gehört, jede Form von Antisemitismus, Antiziganismus, Rassismus oder andere Formen der Menschenverachtung zu bekämpfen.
Wir alle stehen in der Verantwortung: Wir dürfen nicht wegschauen. Unsere freiheitlich demokratische Grundordnung darf nicht dazu genutzt werden, dass Menschen mit hetzerischem und geschichtsvergessenem Gedankengut in der Menge untertauchen und unbehelligt ihre Agenda verfolgen können. Es gilt für uns alle jeden Tag: Nie wieder.“
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27. Januar 2022 - Rede der Landtagspräsidentin Birgit Keller
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Zeitzeugen - Überlebende des Holocaust berichten per Videobotschaft
Zeitzeugen - Überlebende des Holocaust
27.01.2022 18:44 Minuten
Eine Besonderheit des Gedenkakts stellten auch in diesem Jahr die Berichte der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen dar, die pandemiebedingt in Form virtueller Interviews durchgeführt wurden. In den Videobotschaften erzählen die Überlebenden Eva Pusztai-Fahidi, Naftali Fürst und Albrecht Weinberg ihre Geschichten und betonen die Bedeutung des Gedenktages 27. Januar.
Eva Pusztai-Fahidi, geboren 1925 in Debrecen, Ungarn, überlebte das Vernichtungslager Auschwitz und die Zwangsarbeit im KZ-Münchmühle im heutigen Stadtallendorf (Hessen). Als einzige Überlebende ihrer Familie brach sie 60 Jahre nach Auschwitz ihr Schweigen und setzt sich seither für die Aufklärung neuer Generationen und den Erhalt einer aktiven Erinnerungskultur ein.
Naftali Fürst erlebte 1945 die Befreiung Buchwalds. Zuvor wurde die Familie nach Auschwitz-Birkenau verschleppt, wo Fürst und sein Bruder in den Kinderblock 66 verlegt wurden. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs überlebte er zwei Todesmärsche, auch der Rest der Familie konnte überleben und emigrierte nach dem Fall des NS-Regimes nach Israel. Fürst setzt Hoffnung in neue Generationen und betont, dass auch heute Rassismus und gesellschaftliche Radikalisierung nicht normalisiert werden dürfen.
Für Albrecht Weinberg ist der 27. Januar vorrangig ein Tag der Trauer, an welchem er seiner, durch die Nationalsozialisten, ermordeten Familie sowie allen Opfern des Holocausts gedenkt. Auch Weinberg wurde 1943 nach Auschwitz verschleppt, in starker Erinnerung behielt er das Schweigen und die Untätigkeit der Nachbarn gegenüber dem Terror, den seine Familie durch die Nationalsozialisten erfuhr. Albrecht Weinberg überlebte die Konzentrationslager Bergen-Belsen sowie Mittelbau-Dora und wanderte nach Kriegsende in die USA aus. Heute lebt er wieder in Ostfriesland, hält regelmäßig Vorträge in Schulklassen und setzt sich für die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit ein.
Aktuell ist im Thüringer Landtag die Wanderausstellung des United States Holocaust Memorial Museum „Einige waren Nachbarn“ zu sehen, die Täterschaft, Mitläufertum und Widerstand im nationalsozialistischen Deutschland beleuchtet.
Aller Infos dazu finden Sie hier.